
WINTERTHUR/TENERO – Vom 24. Juni bis zum 5. Juli 2024 fand das erste United Summer Camp der Coubertin meets Dunant Foundation statt. 25 junge Sportler:innen aus Afghanistan, Iran, Hong Kong China und Südkorea teilten ihre Liebe zum Sport und durchliefen in zwölf Tagen ein abwechslungsreiches Programm mit interkulturellen Trainings, polysportiven Aktivitäten, Benefizspielen, Führungen, United Challenges wie Speakdating oder Fotosafari. Über die gemeinsame Leidenschaft sollten Brücken gebaut und kulturelle Unterschiede überwunden werden, so die Zielsetzung des Camps. Programmleiter Christoph Burkart berichtete täglich live aus dem Camp und schickte Sprachnachrichten ins «Studio». Ausgewählte Impressionen.
DÜBENDORF – Sonntagabend, 23. Juli 2024, 18:00 Uhr, die letzte Nacht vor dem Start des United Summer Camps 2024. Ausgeschlafen wirkt er nicht, der Hauptverantwortliche der bevorstehenden Abenteuerreise. Christoph Burkart vereint als Head of Coubertin meets Dunant verschiedenste Aufgaben und Rollen in Personalunion: Programmleiter, Eventmanager, Medienverantwortlicher, Auftraggeber der internen Kommunikationskanäle, Troubleshooter. Und Chauffeur. Morgen früh um 07:20 soll am Flughafen Kloten eine erste Delegation aus Hong Kong China landen: 3 chinesische Nachwuchshandballer und ihr Coach. Christoph Burkart wird sie persönlich begrüssen und zum Hotel «ibis» in Winterthur begleiten.
Koffer so gross wie die Vorfreude
BASEL-MULHOUSE – Montagabend, 18:30, Euro-Airport. Mit einer Stunde Verspätung landet das afghanische Frauenfussball-Juniorinnen-Development-Team mit 17 Frauen. Nach der Sicherheitskontrolle erscheinen die afghanischen Girls mit strahlenden Gesichtern im Empfangsbereich. Die Vorfreude auf die kommenden Tage ist gross. Was die Veranstalter unterschätzt haben, ist die Grösse der Gepäckstücke. Riesige Koffer, die nie und nimmer in den kleinen TCB-Shuttle passen. Koffer werden gestapelt, die Passagiere zusammengerückt. Nora Steiner, Head of Refugee Athlete Programme, und Maymi Asgari (23), eine iranische Ballkünstlerin (Football Freestylerin), die in Dänemark lebt und über 2 Millionen Follower hat, steigen mit 3 überzähligen Koffern in den Zug Richtung Winterthur… Als letzte Delegation trifft nach Mitternacht jene aus Südkorea ein.
Offizielle Eröffnung
WINTERTHUR – Dienstagmorgen, 08:30 Uhr, auf dem Dialog-Platz. Hier hat 1937 ein historischer Dialog zwischen Arbeitern und Unternehmern stattgefunden. Heute finden auf dem Dialogplatz vielfältige Stadtgespräche zwischen Generationen und Kulturen statt. Ein idealer Ort mit Symbolcharakter, um das United Summer Camp 2024 zu eröffnen. Nach einer kurzen Begrüssung von Stiftungsratspräsident Reto Ammann werden die Teilnehmenden beim Fröbelturm-Bauen ein erstes Mal gefordert, indem sie als Team versuchen, gemeinsam einen Holzkrahn so zu bewegen, dass aus den herumliegenden Klötzen ein Turm entsteht. Kooperation, Geduld und Feinmotorik sind gefragt. Die jungen Frauen zeigen ein erstes Mal ihre Lebensfreude, jung und laut und wild.
Sporttalk in der AXA-Arena
WINTERTHUR – Dienstagabend, 18:30 Uhr, in der AXA-Lounge. Sporttalk mit Khalida Popal, ehemalige Captain der afghanischen Frauenfussball-Nationalmannschaft, Trainerin und Menschenrechts-aktivistin, Mayi Cruz Blanco (ehemals FIFA Global Head of Women’s Football Development, aktuell CMO Partnerships UEFA) und Sarah Akanji, Schweizer Fussballerin und Politikerin. Khalida Popal stellt ihr soeben erschienenes Buch «My Beautiful Sisters» über den Kampf für Feminismus im Zeitalter der Taliban vor. Die bewegende Geschichte einer mutigen Frau, die den Fussball als Stimme und Werkzeug gegen die Unterdrückung der Frauen in Afghanistan einsetzt. Ein eindringliches Plädoyer für Menschenrechte und die Rettung junger Sportlerinnen vor den Taliban.
Dirigent eines wilden Orchesters
DÜBENDORF – Mittwochmorgen, 05:30 Uhr. Unter der Morgendusche wird die Rolle des Programmleiters immer klarer: Christoph Burkart ist der Dirigent eines wilden Orchesters. Seine Aufgabe: Die Partitur an Aktivitäten und Inhalten, Ressourcen und Bedürfnissen der einzelnen Protagonisten im Blick haben: Afghaninnen, die festen und tanzen wollen; Südkoreaner, die kein Wort Englisch verstehen und den Anschluss zu verpassen drohen. Und jene, die aus dem Takt fallen, wieder ins Orchester zurückführen. Sowohl das Detail im Kleinen als auch das grosse Bild im Auge behalten. Auf dass das Ganze mehr werden soll, als die Summe der Einzelteile.
«Jae-won-Magie» in der AXA-Arena
WINTERTHUR – Donnerstagmorgen, 10:00 Uhr. Fünfmal in Serie gewannen die Handballer von Pfadi Winterthur zwischen 1994 und 1998 den Meistertitel. Der Schlüsselspieler: Jae-won Kang aus Südkorea, der zweitbeste Skorer der NLA-Geschichte. «Diese goldenen Zeiten lebten am Donnerstagmorgen kurz auf», wird der Landbote einen Tag später schreiben. In der AXA-Arena trainierte er acht junge Handballer aus Südkorea und Hong Kong China sowie U19-Junioren und NLB-Spieler von Pfadi. Möglich wurde der erste Besuch in Winterthur seit rund zehn Jahren dank der Coubertin meets Dunant Foundation.
Als Plakatierer unterwegs
WINTERTHUR – Donnerstagmittag, kurz nach 13 Uhr. Auf dem Weg vom Hotel «ibis» gelangt Christoph Burkart über die Eishalle zum Stadion «Schützenwiese», wo um 18:00 Uhr das Benefizspiel zwischen der afghanischen Juniorinnen-Nationalmannschaft und den Frauen des U19-Teams des FC Winterthur angepfiffen wird. Ein Novum in der Geschichte des FC Winterthur, ist es doch das allererste Mal, dass Fussballerinnen des FC Winterthur die Schützenwiese betreten dürfen. Zeitgleich soll die Hauptausgabe der Tagesschau über das gestrige Training und die Idee des United Summer Camps berichten. Bis es soweit ist, gibt es noch einiges zu tun. Und so ist der Programmleiter in den nächsten Stunden als Plakatierer in einer neuen Rolle unterwegs, eine neue Erfahrung.
Hauptausgabe der Tagesschau
LEUTSCHENBACH/WINTERTHUR – Donnerstagabend, 19:45 Uhr, im Studio der Tagesschau. «Frauen, die in Afghanistan Fussball spielen, damit war’s vor 3 Jahren schlagartig vorbei», sagt Tagesschau-Sprecher Florian Inhauser in der Anmoderation des Beitrags über afghanische Fussballerinnen, während das Benefizspiel auf der Schützenwiese vor 500 Zuschauer:innen soeben zu Ende geht. «Was zuvor als Symbol des Wandels galt, gilt den Taliban als Gotteslästerung», sagt Inhauser, «also blieb afghanischen Fussballerinnen nur die Flucht. Viele von ihnen leben heute in England und spielen dort Fussball.» Die Situation der afghanischen Fussballerinnen bekommt in der Hauptausgabe der Tagesschau eine grosse Aufmerksamkeit.
Südkoreanische Talentförderung
KREUZLINGEN – Freitagmorgen, 10:00 Uhr. Das United Summer Camp 2024 macht Station am Talent-Campus Bodensee (TCB). Nach einer Führung durch die gestaltete Umgebung in und um den Campus kommt SBW Ambassador Christoph Bornhauser (Bo), der als Sohn des schweizerischen Generalmajors der Waffenstillstandskommission (1980-1982) Korea kennengelernt hatte, ins Gespräch mit den südkoreanischen Nachwuchs-Handballern. Schnell werden Unterschiede in der Talentförderung sichtbar: In Korea stehen Ehrgeiz, Disziplin und Härte im Vordergrund. Ob ein Spieler eine Freundin haben darf, entscheidet der Coach. Von der Art und Weise, wie am TCB die Schule um die Leidenschaft gebaut wird, sind die Gäste sehr beeindruckt. Was ihnen am TCB besonders gefallen habe? «Alles, ich würde sehr gerne hierherkommen», sagt einer der Handballer nach einer kurzen Denkpause.
Intercultural Speakdating
KREUZLINGEN – Freitagmorgen, 11:00 Uhr, auf der Tartanbahn. 18 Nachwuchstalente aus Afghanistan, Hong Kong China und Südkorea nehmen Platz auf Klappstühlen, um sich über kulturelle Unterschiede auszutauschen. «What do you think are the biggest differences between Switzerland and your own culture?» Short Cuts. Alle zwei Minuten stehen sie auf, gehen drei Plätze weiter und begrüssen ein neues Gegenüber. In kurzer Zeit entstehen neue Kontakte, neue Erkenntnisse. Ein bewegter Spontan-Austausch in sieben Runden. Ganz im Sinne der Coubertin meets Dunant Foundation, die junge Sportler:innen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammenführen will.
Uferpromenade als Planschbecken
KREUZLINGEN – Freitagnachmittag, kurz nach 16:00 Uhr. Seepromenade an der Grenze zwischen Schweiz und Deutschland. «I want to be in this water with my whole body», nimmt eine afghanische Juniorin ihren ganzen Mut zusammen. Für sie und die meisten ihrer Team-Kolleginnen ist es das allererste Mal, dass sie sich in ein offenes Gewässer begeben. Dem hohen Wasserspiegel sei Dank, dass sich die überflutete Uferpromenade in ein ideales Nichtschwimmerbecken verwandelte, in dem sich problemlos erste Schwimmbewegungen simulieren lassen. «I’m swimming», strahlt die junge Frau. Ein ausgelassenes, unverhofftes Freudenfest.
Interkulturelle Trainings
TENERO – Montagmorgen, 10:00 Uhr. Seit Samstagmittag befindet sich das United Summer Camp 2024 im Nationalen Jugendsportzentrum von Tenero, wo die Teilnehmenden in einem polysportiven Trainingslager eine Sportart nach der anderen testen können: Klettern, Biken, Standup-Paddling, Beachvolley etc. Besonderen Anklang finden interkulturelle Trainings, wenn der südkoreanische Welthandballer Jae-won für die afghanischen Fussballerinnen ein Handballtraining oder die dänische Ballkünstlerin Maymi Asgari gemeinsam mit den zwei Volunteers Mia Born und Celia Honauer für die asiatischen Handballer ein Fussballtraining anbietet. Über Sprach-, Geschlechter- und Kulturgrenzen hinaus voneinander zu lernen, verbindet und stärkt die Gruppendynamik untereinander, über ihre jeweiligen Stärken finden die verschiedenen Kulturen immer mehr den Draht zueinander.
Hintergrund-Arbeiten vom Spitalbett aus
ZÜRICH – Dienstagmorgen, 08:30 Uhr. Seit 5 Tagen sitzt Nora Steiner, Head of Refugee Athlete Programme, im Kinderspital, um ihren jüngsten Sohn zu immer wieder neuen Untersuchungen zu begleiten. In der Hoffnung, dass das hohe Fieber endlich zurückgeht und deren Ursache gefunden wird. Der Zeitpunkt für einen Spitalaufenthalt ist äusserst ungünstig, da auch sie sich die letzten acht Wochen intensiv auf das United Summer Camp 2024 vorbereitet hat. Zwischendurch erledigt sie vom Spitalbett aus Hintergrundarbeiten, macht Abklärungen, sucht kurzfristigen Ersatz, koordiniert Helfereinsätze, macht mit den Video-Jockeys De-Briefings oder aktualisiert als Webmasterin die Website laufend mit News.
Fotosafari auf der Piazza Grande
LOCARNO – Mittwochmorgen, 09:45 Uhr, Piazza Grande. Dort, wo die Aufbauarbeiten des Moon & Stars Festivals in vollem Gange sind, startet die Foto-Safari, um Locarno mit einem besonderen Fokus zu entdecken und die Wahrnehmung zu schärfen. In kleinen Teams bekommen die Teilnehmenden den Auftrag, zehn verschiedene Sujets zu fotografieren: die ganze Gruppe in der Luft; eine Strassenszene aus der Vogelperspektive; einen Gegenstand, den es in der eigenen Kultur (nicht) gibt. Zu ihrer Überraschung finden sie in der Auslage einer Buchhandlung ein Buch über die Situation afghanischer Frauen.
Hausberg von Ascona
ASCONA – Mittwochmorgen, 11:00 Uhr. Eine lange Treppe führt von Ascona hoch zum Monte Verità, dem berühmten Berg der Wahrheit. Einzelne Fussballerinnen packt sofort der Ehrgeiz, sie eilen voraus, ohne den Weg zu kennen. Oben angekommen führt der Weg durch ein urwaldartiges Gebiet Richtung Balladrum, einem Kraftort von naturmythologischer Bedeutung. Mit vereinten Kräften und Partysound aus der Boombox schaffen es alle auf den Gipfel, der sie mit einem wunderbaren Blick auf den Lago Maggiore bis nach Tenero, die Brissago-Inseln und Italien belohnt.
Unvergessliche Tage
TENERO – Freitagmorgen, 5. Juli 2024, Punkt 05:00 Uhr. In den Zimmern klingeln Handywecker in unterschiedlichen Melodien. Zeit, aufzustehen und die riesigen Koffer zu packen, die kaum mehr zugehen wollen, seit das Gepäck um die gesponserte ON-Bekleidung und Souvenirs angewachsen ist. Um 06:40 Uhr setzt sich der Car Richtung Norden in Bewegung, um den Flughafen trotz allfälliger Staus rechtzeitig zu erreichen. Ab Mittag fliegen die Teilnehmenden zurück nach Manchester, Hong Kong und Seoul, mit vielen Eindrücken im Gepäck. Khalida Popal bedankt sich im Namen der Teilnehmenden per WhatsApp für die «unvergesslichen Tage»: «Das United Summer Camp hat uns allen die Chance gegeben, uns als Organisation und als Menschen weiterzuentwickeln und zu wachsen.»